Lieber Falcotto...die Mama von Giulio
Lieber Falcotto,
ich schreibe euch, um einerseits meine Erlebnisse und andererseits eine Episode aus meinem Leben zu erzählen, die mich angeregt hat über die unglaublich großen Ressourcen von Kindern nachzudenken.
Ich habe mich ganz bewusst für ein Leben als Mama entschieden. Ich verspürte nicht nur den Wunsch, Mutter zu werden, sondern wollte gemeinsam mit meinem Partner das für mich wichtigste, größte und grundlegendste kreieren: eine Familie. Ich bin eine sehr entschlossene Person und muss zugeben, dass es für mich keine halben Sachen gibt. Entsprechend habe ich mir nach der Geburt unseres Sohnes Giulio jede erforderliche Zeit für ihn genommen. Mein Mann und ich haben immer gedacht, dass es insbesondere in den ersten Jahren sehr wichtig ist, so viel wie möglich für den Nachwuchs da zu sein. Also habe ich meinen Beruf für einige Zeit aufgegeben, um mich ausschließlich um meinen Sohn zu kümmern.
Nach zwei Jahren haben wir dann gedacht, dass es für mich an der Zeit wäre, wieder arbeiten zu gehen. Giulio haben wir also im Hort angemeldet, wo er nur morgens hinging und nachmittags waren wir immer zusammen. Nach und nach musste ich aber wieder Vollzeit einsteigen und wir haben uns für einen Babysitter entschieden, den wir sorgfältig auswählten. Dann galt es diese Trennung zu verarbeiten.
Die Gewöhnung an die volle Stelle klappte schnell: Der liebevolle und besorgte Babysitter holte Giulio morgens ab und brachte ihn abends wieder nach Hause, wo er auf mich wartete. Alles schien perfekt – bis gestern.
Da ist nämlich etwas Unglaubliches passiert. Ich bin morgens aufgestanden und in Giulios Zimmer gegangen, um ihn wie immer mit jeder Menge Küssen und Streicheleinheiten aufzuwecken. Ich betrete das Zimmer, aber Giulio ist nicht da. Also fange ich an, ihn zu suchen, gehe runter in die Küche und kann kaum glauben, was ich dort sehe. Einfach fantastisch: Giulio perfekt angezogen – Hose, Pulli, Superman-Strümpfe und Jacke, die Kindergartentasche hing vollgestopft mit Dinosauriern, Stiften und Malbüchern mehr schlecht als recht auf seiner Schulter und Giulio war bereit, das Haus zu verlassen.
Ich konnte es kaum glauben! Es war das erste Mal, dass er sich ganz alleine angezogen hat und auf meine Fragen und meinen verwunderten Blick hat er schlicht und ergreifend mit den Worten reagiert: Mama, ich habe es leid, dass du morgens zur Arbeit rennen musst, um mich in den Hort zu bringen. Ich habe mich fertig gemacht und beschlossen, mit dir zur Arbeit zu kommen. Dann kommst du nicht zu spät und ich kann bei dir sein. Kein Hort, kein Babysitter!
Mein kleiner, "großer" Schatz hat seine Lösung für den von ihm empfundenen Trennungsschmerz und die wesentlich geringere Zeit mit mir gefunden! Das hat mir wehgetan. Ich habe mich schuldig gefühlt, aber gleichzeitig war ich auch unheimlich stolz: Statt rumzuzicken hat mein kleiner Mann mit der ausschließlich Kindern vorbehaltenen Spontanität und Unschuld Problemlösung betrieben. Ich habe mir dann einen Tag frei genommen und nach Worten gesucht, um ihm zu erklären, dass die Arbeit mich zu einer besseren Person und Mama macht und mir die Möglichkeit verleiht, das Geld zu verdienen, das wir benötigen, um Erfahrungen zu sammeln und ein emotionsreiches Leben zu leben.
Mein Sohn ist entspannt. Er hat es verstanden. Damit hat er einen weiteren, kleinen Schritt in seinem Wachstumsprozess gemacht.
Sara, die Mama von Giulio.
*Wenn auch Sie eine lustige Geschichte über Ihr Leben mit Ihren Kindern zu erzählen haben, schreiben Sie bitte an info@falcotto.com. Die schönsten Geschichten werden auf unserem Facebook-Blog veröffentlicht!